STRATOZERO

Mueller_STRATOZERO_collection room Kraftwerk 2021 Copy

Harald F. Müller
STRATOZERO, 2021
Installation view

Mueller_STRATOZERO_collection room gelbe wand 2021

Harald F. Müller
STRATOZERO, 2021
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Mueller_STRATOZERO_collection room mondia buchstaben 2021

Harald F. Müller
STRATOZERO, 2021
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Mueller_STRATOZERO_collection room  Spiegel 2021

Harald F. Müller
STRATOZERO, 2021
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Mueller_STRATOZERO_collection room von oben 2021

Harald F. Müller
STRATOZERO, 2021
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STRATOZERO / Studio Harald F. Müller, Singen

Text zur Ausstellung Kartause Ittingen 2021

Den Kern der Ausstellung MONDIA bildet eine grossformatige Fotografie mit dem Titel «musique non stop», die Harald F. Müller 2020 für das Kunstmuseum Thurgau schuf. In dieser neuesten Arbeit des Künstlers bilden ein Schallplattencover der deutschen Musikgruppe «Kraftwerk», zwei amerikanische Glühbirnen und der barocke Kirchenraum der Kartause Ittingen ein komplexes Vexierbild. Die drei Elemente verweisen auf die Digitalisierung der Bilder, die Erfindung des elektrischen Lichts und die Raumerfahrung als eine der universellen Grundbedingungen des Seins. Diese Verweise laden Besucherinnen  und Besucher zu einem offenen Reflexionsprozess über das Verhältnis von Bild und Wirklichkeit ein.

Die Verführung zum Schauen und Denken beginnt schon mit dem Ausstellungstitel MONDIA, der gleich beim Eintreten in grossen, farbig gefassten Holzbuchstaben vor einer ebenso farbigen Wand im Raum zu schweben scheint. Das Wort MONDIA ist ein Fundstück, das Harald F. Müller bei Recherchen im heute nicht mehr existierenden Archiv der Aluminium-Walzwerke Singen (Alusingen) auf einer Fotografie einer Transportfirma aufgespürt hat. Dort prangt der Begriff auf der Blache eines Lastwagens. MONDIA ist aber auch der Markenname von Fahrrädern oder Uhren, lässt sich als «Mon Dia», also «Mein Diapositiv», meine Fotografie lesen, und auf Rumänisch meint der Begriff schlichtweg «Welt». Der Künstler beschwört mit dem gefundenen Begriff also die ganze Welt und formuliert einen Anspruch: Seine Kunst beschäftigt sich mit universellen Fragen und Bildern.

Wie umfangreich sein Interesse an Bildern ist, zeigen die sogenannten «Cuts», «Ausschnitte», die unterschiedliche Formen annehmen können. Bei den «Ciba Noir» handelt es sich zum Beispiel um quadratische, nicht entwickelte
Cibachromfotopapiere, die auf einer voluminösen Kartonkonstruktion auf farbigen Wänden montiert sind. Dieses spezielle Fotopapier, das heute kaum mehr benutzt wird, diente der Vergrösserung von Dias und zeichnet sich durch besondere Brillanz und Farbechtheit aus, weil die Farbpigmente direkt in die Fotoschicht eingelagert sind. Bevor es entwickelt wird, zeigt das Papier aber eine unspektakuläre braune Oberfläche. Jedes dieser blinden Quadrate enthält aber das Potenzial aller möglichen Bilder. Ähnliches gilt für die «Spiegelcuts », die wie bei Spiegeln üblich, alles Sichtbare abbilden können. Die technologisch neueste Version des Spiels mit allen möglichen Bildern ist in der Ausstellung durch einen «Elektrocut» präsent.

Eine andere Strategie verfolgt Harald F. Müller bei seinen Reproduktionen, die in der Ausstellung mit den Werken «Japan II» und «Prater» vertreten sind. Jedes dieser Bilder ist das Resultat der Sichtung von tausenden Illustrationen in Magazinen, Drucksachen oder Büchern. Die einmal ausgewählten Einzelstücke vergrössert der Künstler hundertfach und inszeniert sie mit einer aufwendigen Hängekonstruktion wie schwebend vor der Wand. Harald F. Müller geht davon aus, dass Künstlerinnen und Künstler selbst keine neuen Inhalte schaffen müssen. In der riesigen Sinnproduktionsmaschine der massenmedialen Welt ist alles schon gesagt. Künstlerinnen und Künstler müssen lediglich die wichtigen Ideen und Bilder auswählen und sie sichtbar machen. Bedeutung wird nicht mehr durch die Erfindung von Inhalten erzeugt, sondern durch Auswahl und eine bedeutungsvolle Präsentation.

Die Arbeiten von Harald F. Müller lassen sich nicht auf den ersten Blick verstehen, und dennoch zeigen sie eingängig unser Verhältnis zur Welt der Bilder. Der Künstler versteht sich nicht als Maler und reflektiert doch die Farbmagier der Vergangenheit wie Tizian, Cézanne, Matisse, Le Corbusier oder Mark Rothko. In MONDIA inszeniert er seine Fotografie- und Textarbeiten auf intensiv eingefärbten Wänden, was Suggestivräume schafft, in dem sich Besucherinnen und Besucher immer wieder grundsätzliche Frage stellen wie: Was ist denn überhaupt ein Bild? Was sehen wir, wenn wir ein Bild betrachten, und wie verhält sich dieses zur Wirklichkeit?

Der grossflächige Farbeinsatz verbindet die Ausstellung auch mit Harald F. Müllers Arbeiten im öffentlichen Raum. Einer seiner atemberaubenden Farbräume kann nur wenige Schritte von der Ausstellung entfernt im Treppenhaus des unteren Gästehauses der Kartause Ittingen begangen werden. Hier zeigt sich eindrücklich, wie sich eine aktuelle Vorstellung von Malerei als räumliche Erfahrung realisieren lässt.

Weitere Farbräume des Künstlers sind in der Ausstellung in einer Dokumentation des Konstanzer Fotografen Guido Kasper präsent. Mit ihm wie mit dem Informatiker Patrick Jungk aus Stuttgart oder Fabian Winkler, Professor für Design, Kunst und Performance an der Purdue University in den USA, pflegt Harald F. Müller regelmässige Kollaborationen. In solchen Projekten löst sich eine traditionelle Vorstellung von Autorschaft auf. Das Kunstwerk wird zu einem dynamischen Prozess, in dem Austausch und Erkenntnisgewinn wichtiger sin als die Herstellung eines Produkts. So versteht denn Harald F. Müller sein Atelier stratozero schon lange nicht mehr nur als Arbeitsort, sondern als Bereich des gesellschaftlichen Austauschs und der Forschung. Es wird ebenso wie eine Arbeiten im öffentlichen Raum zu einem integralen Teil der Ausstellung MONDIA werden, wodurch diese weit über den Museumsraum hinausgreift. Eine zusätzliche Erweiterung der Ausstellung erfolgt zudem über eine Internetseite, die anstelle eines Katalogs eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Bildrecherchen von Harald F. Müller ermöglicht.